3. Außerordentliche Kündigung eines Betriebsrats
Die außerordentliche Kündigung eines Betriebsrats ist dagegen – wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch – zulässig, wenn wichtige Gründe vorliegen, die eine sofortige Kündigung erfordern (§ 626 BGB), d.h. wenn dem Arbeitgeber jede weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten ist. Von der Rechtsprechung wurde dies zum Beispiel in folgenden Fällen anerkannt:
- Diebstahl am Arbeitsplatz
- Beleidigungen des Chefs
- sexuelle Übergriffe
- rassistische Beleidigungen eines anderen Betriebsrats
Voraussetzung ist dabei aber immer, dass das Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer derart erschüttert ist, dass von ihm ein Abwarten der Kündigungsfrist nicht verlangt werden kann (vgl. Bundesarbeitsgericht v. 10.06.2010 – Az. 2 AZR 541/09 – Fall „Emmely“). Dies hat der Arbeitgeber genau zu begründen. Auch ist – wie stets – danach zu fragen, ob der Arbeitnehmer bereits wegen einer ähnlichen Verfehlung abgemahnt worden ist bzw. ob eine Abmahnung entbehrlich war.
Einen Sonderfall bildet die so genannte Verdachtskündigung. Ist ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten nicht tatsächlich erwiesen, besteht aber ein dringender Verdacht darauf, so kann dann eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber alles Zumutbare getan hat, um den Vorwurf aufzuklären und wenn ihm eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht mehr zumuten ist. Hier ist immer danach zu fragen, ob das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt.
Hat ein Betriebsratsmitglied hingegen nur eine Verfehlung begangen, die nicht ganz so gravierend ist und die bei einem normalen Arbeitnehmer deshalb keine fristlose, sondern lediglich eine ordentliche fristgerechte Kündigung zur Folge hätte, so kann ihm gar nicht gekündigt werden, denn vor einer ordentlichen Kündigung ist er ja gesetzlich besonders geschützt.
4. Formalien der außerordentlichen Kündigung
Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund muss schriftlich innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Arbeitgeber von den Umständen (z.B. Diebstahl) erfahren hat, auf die er die Kündigung stützt (§ 626 Abs. 2 BGB). Bei einer Verdachtskündigung wegen einer Straftat kann unter Umständen hiervon abgewichen werden, wenn der Arbeitgeber den Ausgang eines strafrechtlichen Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens abwarten möchte, bevor er eine außerordentliche Kündigung erklärt.
Der Arbeitnehmer muss zudem die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einholen (§ 103 BetrVG). Eine nachträgliche Genehmigung genügt nicht! Verweigert das Gremium die Zustimmung, so kann sie auf Antrag durch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts ersetzt werden. Das Gericht gibt dem Antrag dann statt, wenn es die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände als gerechtfertigt ansieht.
Bei der Einhaltung der Formalien lauert ein Fallstrick für den Arbeitgeber: Einerseits muss er die fristlose Kündigung ja innerhalb von zwei Wochen aussprechen. Andererseits läuft ihm aber die Zeit davon, wenn der Betriebsrat als Gremium nicht zustimmt und die Sache vor Gericht geht. Denn bevor er die Kündigung aussprechen kann, muss er dann ja die gerichtliche Zustimmung abwarten; und selbst wenn diese rechtzeitig vorliegt, kann er immer noch nicht kündigen, da der Arbeitnehmer noch die Möglichkeit hat, gegen den Gerichtsbeschluss Rechtsmittel einzulegen (Beschwerde zum Landesarbeitsgericht LAG, gegebenenfalls auch noch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht BAG). Die Rechtsprechung lässt es deshalb in der Praxis genügen, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat innerhalb der besagten zwei Wochen um seine Zustimmung ersucht und, sobald diese vorliegt oder gerichtlich ersetzt ist, unverzüglich ohne zu zögern die Kündigung ausspricht.
5. Nachwirkender Kündigungsschutz
Der Kündigungsschutz eines Betriebsrates endet nicht automatisch mit dem Auslaufen seiner Amtszeit. Erst ein Jahr nach ihrer Beendigung kann er wieder wie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer gekündigt werden (nachwirkender Kündigungsschutz).
Dieses Verbot bezieht sich auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung. Das bedeutet: Will der Arbeitgeber einen ehemaligen Betriebsrat kündigen, so darf er die Kündigung erst ein Jahr nach Beendigung von dessen Amtszeit erklären. Er darf also keine ordentliche Kündigung erklären, die bereits zum Zeitpunkt des Auslaufens des Kündigungsschutzes (ein Jahr nach Ende der Betriebsratsamtszeit) wirksam sein soll (sog. Auslauffrist), denn dadurch würde der nachwirkende Kündigungsschutz zumindest teilweise unterlaufen. Natürlich muss der Arbeitgeber nach der Auslauffrist auch noch die für jeden Arbeitnehmer geltenden Kündigungsfristen und die sonstigen Kündigungsschutzvorgaben berücksichtigen. Eine vorherige Zustimmung des Betriebsrats ist in den Fällen des nachwirkenden Kündigungsschutzes allerdings nicht mehr notwendig, sie gilt nur für aktive Betriebsratsmitglieder. Es genügt vielmehr die Anhörung nach § 102 Abs. 2 BetrVG.
6. Schutz von Ersatzmitgliedern
Ersatzmitglieder des Betriebsrats können sich normalerweise nicht auf einen besonderen Kündigungsschutz berufen. Diesen genießen sie nur dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigung entweder tatsächlich einen Betriebsrat vertreten haben oder endgültig in das Gremium aufgerückt sind, zum Beispiel weil ein bisheriges Betriebsratsmitglied das Unternehmen verlassen hat.
7. Fazit
- Betriebsratsmitglieder können nur in Ausnahmefällen ordentlich gekündigt werden, etwa bei Betriebsstillegung.
- Eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist möglich.
- Der Betriebsrat als Gremium ist vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung anzuhören. Vor einer außerordentlichen Kündigung muss zusätzlich seine Zustimmung eingeholt werden. Diese kann vom Arbeitsgericht ersetzt werden.
- Die außerordentliche Kündigung muss schriftlich innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Arbeitgeber von den Umständen, auf die er sie stützt, Kenntnis erlangt.
- Der besondere Kündigungsschutz eines Betriebsrats endet ein Jahr nach Ende der Amtszeit.
- Ersatzmitglieder des Betriebsrats fallen unter den Kündigungsschutz, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigung einen Betriebsrat vertreten haben oder in das Gremium nachgerückt sind.